Der Film Weekend gilt schon als neuer Klassiker des New Queer Cinema. Er ist einer der wenigen Filme, die ohne Starbesetzung und ohne großes Budget produziert wurden und dennoch eine sehr hohe Qualität aufweisen und ein großes Publikum erreicht haben. Zu oft sieht man Filme, die zwar eine gute Grundidee haben, die aber an der Umsetzung scheitern.
Regisseur Andrew Haigh hat sich auch nicht an Genrefilmen orientiert, sondern an anderen Indiependentfilmen, wie er im Interview verrät.
Doch zum eigentlichen Film: In Weekend begegnen wir Russel, einem Bademeister, Mitte zwanzig, der bei einem Clubbesuch Glen kennen lernt. Beim nächsten Schnitt ligen er und Glen am Morgen zusammen im Bett. Jetzt soll Russel sich an alles erinnern, alle seine Gefühle die er in Bezug auf die Nacht hat, für Glen in ein Diktiergerät sprechen, für ein Kunstprojekt. Zunächst ist Russel etwas befangen, doch nach und nach erinnert er sich an alle Details. Man spürt schnell, dass zwischen den beiden mehr ist als ein One-Night-Stand. Sie sehen sich wieder, sprechen miteinander über ihre Familien: Russel ist als Pfelgekind aufgewachsen, vor seinen Freunden ist er geoutet, doch es fällt ihm schwer, sich öffentlich zu zeigen. Für Glen ist das kein Problem, er will mit seinem Kunstprojekt sogar sein Sexleben öffentlich machen und Glen will über alles reden, während Russel eher ein ruhiger Typ ist.
Als Glen noch einmal an Russels Tür klingelt, nachdem er gegangen war, und ihm sagt, dass er in ein paar Tagen in die USA auswandern wird, wird deutlich, wie sehr er sich schon in Russel verliebt hat. Es ist das überzeugende Spiel von Tom Cullen und Chris New, das den Film so authentisch macht. Cullen ist jetzt in Downton Abbey zu sehen, für New war es sein erster Spielfilm. Es braucht keine Liebesschwüre dafür, die Romantik entsteht zwischen den Zeilen, in Blicken und Gesten. Obwohl sie wissen, dass ihnen nicht viel Zeit zusammen bleibt, lernen sie sich an nur einem Wochenende intensiv kennen, reden über intimste Gefühle, und konsumieren jede Menge Drogen.
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Es ist aber nicht nur ein Film über eine schwule Liebesgeschichte, es ist auch ein Film über diese Generation von jungen Menschen, die so viele Möglichkeiten haben, sich immer neu erfinden können. Russel ist zufrieden mit seinem Beruf, er rettet Menschenleben, auch wenn andere wenig Anerkennung für ihn aufbringen. Glen dagegen möchte neu anfangen, er hat das Gefühl, in England, bei seinen Freunden, kann er nicht der sein, der er wirklich ist, er kann sich in seiner gewohnten Umgebung nicht verändern. Aber ist es wirklich das, worum es geht?
Durch die kurze intensive Begegnung und ihre gegensätzlichen Ansichten verändern sich beide.
Wenn sie sich am Bahnhof gegenüberstehen, ist es eine der romantischten Szenen, die ich je gesehen habe, gerade weil Glen sagt, "wäre dies ein Film, würden wir uns küssen und die Leute würden applaudieren" und da genau das nicht passiert. Der Film schafft es, immer bei den Figuren zu bleiben, und ihre Gefühle authentisch darzustellen. Verantwortlich dafür ist wohl auch die wunderbare Chemie zwischen den Hauptdarstellern und dem Regisseur.
Meine einzige Kritik ist, dass Glen glaubt, niemand außer schwulen Männern würde sich eine Kunstausstellung ansehen, in der es um schwulen Sex geht. Really? Ich würde hingehen. Und dass der Regisseur so überrascht war, dass der Film so einen Erfolg hatte, wundert mich etwas. Bei guten Filmen kommt es meiner Ansicht nach nicht auf die Handlung oder die Orientierung der Figuren an, ich glaube gute Filme finden ihr Publikum. Auch wenn ich verstehe, dass ein schwuler Regisseur sich in erster Linie an ein gay Publikum wenden möchte, habe ich den Eindruck, manchmal vergessen sie wie groß ein weibliches Publikum sein kann. Was natürlich nicht heißt, dass ich jetzt Romanzen für Frauen haben möchte. Im Gegenteil, genau aus solchen Filmen, die oft besser, gewagter, authentischer sind und mehr Publikum erreichen als Literatur das oft kann, kann ich etwas lernen und möchte ich mehr sehen. Hier gibt es übrigens ein tolles Interview mit Chris New zum Film und darüber, ein geouteter Schauspieler zu sein.
Ich habe das Gefühl, dass gerade in den letzten Jahren sich sehr viel im gay film genre getan hat, Weekend hat sehr viele gute Kritiken bekommen und auch andere neuere Filme wie die von Marco Berger oder Xavier Dolan, die neue Maßstäbe im Genre setzen, indem sie gerade keine "Genrefilme" machen. Andrew High ist übrigens auch der Regisseur der neuen Serie "Looking", in der es um eine Gruppe schwuler Männer geht, auf die ich schon sehr gespannt bin.
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