Kinostart: 23.05.
Deutschland, 2013
Deutschland, 2013
Regie und Drehbuch: Stephan Lacant, Co-Autor: Karsten Dahlem
Darsteller: Hanno Koffler, Max Riemelt, Katharina Schüttler
Gestern habe ich mir die Premiere von "Freier Fall" angesehen. Der
Film handelt von einem Polizisten, der sich in einen Kollegen verliebt. Die
Gefühle für einen anderen Mann sind neu für ihn und dass er eine schwangere
Freundin hat, hindert ihn zunächst daran, sich seine Gefühle einzugestehen.
Auf einer Fortbildung lernt Marc (Hanno Koffler) Kay (Max Riemelt) kennen,
sie teilen sich ein Zimmer, gehen zusammen joggen. Bei einer Übung geraten sie
aneinander, man ahnt, dass es eigentlich Anziehung ist, die sich zunächst nur
in Gewalt ausdrücken lässt.
Kay ist ein unangepasster Typ, seine Berufswahl scheint seinem Charakter zu widersprechen. "Schon mal was von Systemunterwanderung gehört?", fragt
er Marc, als dieser ihn darauf anspricht. Kay kifft regelmäßig und als er Marc mit
dem Jointstummel einen Kopfschuss gibt, versucht er ihn zu küssen. „Das war nur
ein Scherz“, sagt er. Aber es ist längst deutlich, die beiden können sich gegen
die Anziehung zwischen ihnen nicht mehr wehren. Obwohl Marc sich nach wie vor
fürsorglich um seine schwangere Freundin kümmert, mit der er bei seinen Eltern
lebt, trifft er sich immer wieder mit Kay und lässt sich auf die Affäre ein.
Bild: Salzgeber & Co. Medien GmbH |
Bild: Salzgeber & Co. Medien GmbH |
weiter hier (Vorsicht Spoiler):
Damit hat der Drehbuchautor und Regisseur Stephan Lacant zwei Figuren gewählt,
die einem nicht besonders sympathisch erscheinen - dass die Affäre mit einem
Mann stattfindet ist dafür eigentlich unerheblich. Dass Marcs Eltern und sogar
sein Bruder sich gegen ihn stellen, war für mich durchaus nachzuvollziehen und
nicht auf seine sexuelle Umorientierung zurückzuführen, denn Marc hat nicht nur
seine Freundin betrogen, er ist auch zu feige, ihr die Wahrheit zu sagen, bis
sie selbst seine Lügen nicht mehr erträgt. Für sein Coming-Out hat er sich den
denkbar schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht. Er ist ein Typ, der wenig redet,
nicht mit Kay und auch nicht mit seiner Freundin. Eine in sich zerrissene Figur,
scheint er selbst nicht zu begreifen, was mit ihm passiert.
Kay dagegen ist sich im Klaren darüber, was er will und lässt sich nicht
davon abschrecken, dass Marc Vater wird. Die gesamte Konstellation erinnert
stark an Brokeback Mountain, auch wenn es hier keine Cowboys gibt. Insgesamt
hatte das Drehbuch für mich ein paar Schwächen. Zum einen war es, dass mir die
Figuren, bis auf Marcs Freundin, so wenig ans Herz wachsen konnten und ihre
Anziehung zueinander lange als rein körperlich erschien, da es kaum Szenen gab,
in denen sie sich näher kennen lernten. Zum anderen weil die Grundkonstellation
im schwulen Film schon recht häufig zu sehen war und die schwule Affäre, die eine
Familie zerstört ein Motiv ist, dass etwas altbacken wirkt. Dass am Ende jedoch
auf die Verdamnis der Figuren (lange Zeit konnten schwule Filme nur mit dem Tod
der Figuren enden) verzichtet wurde, und dass Marc offensiv gegen die Homophobie
in seiner Einheit vorgeht, waren wiederum moderne Elemente, die mir gefallen
haben.
Dem Film Wiederholung des Genre vorzuwerfen, ist vielleicht auch nicht ganz
fair, denn in sich ist das Drehbuch durchaus überzeugend, die Figuren bleiben
immer authentisch in ihrer Entwicklung und das offene Ende passen zur
Geschichte.
Es gab jedoch zwei Aspekte, die für mich den Film sehenswert und zu etwas
Besonderem machten. Das war zum einen das Setting im Polizeimillieu. Ein Film,
der Homophobie bei der Polizei darstellt, hatte ich so noch nicht gesehen und
man darf darauf vertrauen, dass die Anfeindungen der Kollegen gegen den
geouteten Kay und die Ignoranz des Mobbings der anderen realistisch sind, denn
der Co-Autor war selbst Polizist, bevor er Schauspieler und Autor wurde. Bei
der Premiere waren der Regisseur, der Produzent und die beiden Hauptdarsteller
anwesend, sowie einige weitere der Crew. Der Regisseur und Autor erzählte, dass
sie keinerlei Unterstützung des Films von der Polizei bekommen haben.
Ebenfalls überzeugend war der filmische Stil, düstere Musik leitete gleich
die Eingangssequenz ein. Immer schwebte die drohende Entdeckung und ein ungutes
Ende über dem Geschehen, dazu passten die düsteren Farben und der realistische
Stil, in denen der Film gehalten war und die kalte Atmosphäre des Waldes, in
dem die Männer joggen und der Polizeieinrichtungen. Gut umgesetzt war auch der
Schnitt und das Timing der Schauspieler. Obwohl die Handlung eigentlich ein
Dramastoff ist, gab es immer wieder Lacher im Publikum, denn die Dialoge waren
so pointiert, dass sie oft witzig wirkten; die Figuren machten mehrfach ungewollte
Anspielungen, die ihnen gar nicht bewusst wurden.
Das andere, was für mich den Film gewissermaßen über einige Schwachstellen
gerettet hat, waren die Hauptdarsteller, sowohl Max Riemelt und Hanno Koffler
als auch Katharina Schüttler als schwangere Freundin. Für mich war Max Riemelt
in diesem Film eine echte Überraschung, ich habe schon einige Filme mit ihm
gesehen, hier hat er für mich eine neue Seite gezeigt, und damit meine ich
nicht, dass er eine schwule Figur spielt, sondern die vollkommene
Glaubwürdigkeit, die er für mich vermittelt hat. Hanno Koffler hat ebenfalls
sehr gut in die Rolle gepasst und stand auch sehr schnell für die Besetzung
fest, während für Kay viele Schauspieler ausprobiert wurden. Die beiden
Darsteller kannten sich bereits lange, was für sie eine Erleichterung bei den
intimeren Szenen war, wie sie erzählten. Dass die Schauspieler so glaubwürdig
spielen sorgt auch dafür, dass der Zuschauer sich in sie hineinversetzen kann,
auch wenn er sie nicht sympathisch finden muss.
Ich gebe zu, dass die Anwesenheit des Regisseurs und der Darsteller
ausschlaggebend war, mir den Film im Kino anzusehen. Ich finde es immer sehr
interessant, etwas aus Interviews über das Filmbusiness zu erfahren und auch
Schauspieler einmal in echt zu sehen, meistens wundert man sich dann, wie
normal sie wirken und wie klein manche sind. Max Riemelt hat jedenfalls trotz
seiner Bekanntheit keinerlei Allüren und war sogar noch im Foyer anzutreffen.
Leider konnte ich nicht, wie ich insgeheim hoffte, Inspiration für eine
Geschichte aus dem Beobachten des Publikums ziehen. Der große Saal war beinahe
voll, natürlich mit vielen schwulen Männern, denn die Gelegenheit einen Film
mit diesem Inhalt im Kino zu sehen, bietet sich leider selten.
Die Filme, die in den letzten Jahren in Deutschland mit schwulen Figuren
gedreht wurden, lassen sich an einer Hand abzählen, auch wenn es immer mehr
werden. „Sommersturm“ ist auch schon von 2004, dann gab es da noch die neueren
Filme „Sasha“, „Westerland“, „Sleepless Nights“, „Stadt Land Fluss“ oder „Auf
der Suche“. Die Finanzierung für Freier Fall zu erhalten hat an die vier Jahre
gedauert, aber dass drei der bekanntesten Schauspieler ihrer Generation
letztlich für den Film gewonnen werden konnten, spricht dafür, dass es nicht
unmöglich ist, diese Themen auf der großen Leinwand zu behandeln. Hoffentlich
wird es einmal selbstverständlicher sein. Wenn ihr das gleiche denkt, kann ich
nur empfehlen, sich den Film im Kino anzusehen und den Verleihern und Kinos zu zeigen,
dass es sich auch lohnt, so einen Film zu bringen.
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