Mittwoch, 23. November 2016

Bericht von der Queerconvention und Buch Berlin und meine erste Lesung



Am Wochenende war ich das erste Mal auf der Buch Berlin und auch auf der das erste Mal ausgerichteten Queerconvention, die vom Dead Soft und Cursed Verlag organisiert wurde. Ich muss gestehen, zuerst wusste ich nicht recht, was das eigentlich sein soll. Eine Convention für Queere Literatur klang erst mal toll, aber war sie für Autoren, für Leser, und was sollte da passieren? Ich habe es einfach auf mich zukommen lassen und mich für eine Lesung beworben und prompt einen Platz bekommen. Vielen Dank dafür an Simon von Dead Soft und auch an den Sieben Verlag fürs sponsern!
Doch dann fragte ich mich, was ich da bitte gemacht hatte. Ich und eine Lesung? Da wurde mir schon beim Gedanken schlecht. Ich bin ja eher eine introvertierte Person und nicht gerade eine Rampensau. Also habe ich einige Autorenkollegen um Rat gefragt, einige gute Tipps bekommen und ein wenig Stimmtraining gemacht. Das werde ich definitiv weiter machen, das war wirklich sehr hilfreich.
Zwanzig Minuten galt es zu füllen, also habe ich eine kurze Szene aus Sunford rausgesucht und noch ein wenig erzählt, warum ich historische Gay Romance liebe. Und siehe da, ich war gar nicht so nervös wie gedacht und es hat wirklich Spaß gemacht! Und ich habe sogar ein paar Bücher verkaufen können. Ein super Gefühl. Das werde ich bestimmt nochmal machen.

Die Queer Convention fing schon am Samstag an, ich bin extra früh gekommen, um das erste Panel zu sehen, habe dann aber den Raum nicht gefunden, wegen verwirrender Treppen und langer Gänge in dem riesen Estrel Hotel. Die liebe Svea Lundberg führte mich dann hin und es begann ein spannender Tag mit sehr interessanten Diskussionen über Queere Fantasy, und über die Entwicklung am amerikanischen und deutschen Markt. Da musste ich doch gleich mal die Verleger fragen, was derzeit gesucht wird. Wenig überraschend immer noch Contemporary Romance und Gestaltwandler, aber nicht unbedingt Werwölfe und keine Vampire! Aber vor allem komme es auf das Herzblut an und eine gut erzählte Geschichte an. Alle Verlage sehen großes Potential in Gay Romance, der Markt wächst weiter. Verlage wie Dead Soft und Cursed veröffentlichen um die 60 Titel im Jahr, die nur mit deutschen Autoren nicht mehr zu füllen sind, so dass wir uns auch auf mehr Übersetzungen freuen dürfen. Schön zu erfahren fand ich auch, dass von einigen mehr SF und Historical gemacht wird.
Leider lohnt es sich aber einfach nicht, deutsche Autoren auf den englischsprachigen Markt zu bringen. Susann Julieva traf ich auch endlich live, sie moderierte einige Panels und hatte auch selbst eine Lesung aus ihrem neuen Buch Refugium, die mich sehr neugierig gemacht hat.
Später gab es noch eine Lesung von Torsten Falke aus seinem Debutroman und einen spannenden Vortrag von Autorin Nina Hunter zum Erotik-Schreiben. Sie hat unter verschiedenen Pseudonymen bereits zahlreiche Erotikromane bei großen Verlagen veröffentlicht und konnte sehr unterhaltsam vermitteln, was gute und schlechte Erotik ausmacht. Hauptsache nicht zu klinisch und viele Emotionen und bitte nicht zu viele verschwurbelte Metaphern, sonst könnte es passieren, dass man den Bad Sex Award verliehen bekommt!



Panel mit Jobst Mahrenholz, Christian Handel,
Chris P. Rolls, Bernd Frielingsdorf und AC Lelis

Der Con Raum
Leann Porter und Kai Brodersen am Dead Soft Stand

Leann Porter mit ihrem neuen Fantasy-Roman

Autorenkollegen Markus Heitkamp und
Hanna Nolden am Stand Torsten Low


Am Samstag Abend war ich doch zu erschöpft, um mir nochmal Berlin anzusehen und habe mich stattdessen ausgeruht um für den nächsten Tag fit zu sein. Chris P. Rolls hatte vor mir ihre Lesung, sie hat aus Highspeed Love gelesen und so schon die Leute früh zur Convention gelockt. Danach folgte ein Panel zu Social Media, bei dem es interessante Diskussionen gab. So riet AC Lelis, die sich auch beruflich mit dem Thema befasst, von facbook-Werbung ab, stattdessen probiere sie gerade Snapchat. Ich verstehe das ja noch immer nicht so ganz, aber es wäre mal eine Überlegung wert. Christian Handel, der den tollen Blog Fantasy News betreibt, den ich öfter lese und dort immer auch den Gay Friday hat, wo er queere Fantasy-Bücher bespricht, berichtete übers Bloggen.
Und danach hatte ich dann meine Lesung. Nachdem endlich das Mikro an meinem kleinen Ohr befestigt werden konnte, ging es auf die Bühne. Am Anfang war ich noch recht nervös, aber beim Lesen wurde es dann besser. Und ich wurde sogar nach meiner Recherche gefragt, darüber hätte ich ja stundenlang reden können. Aber ich wollte ja auch noch Bücher verkaufen. Es war wirklich toll zu beobachten, dass es tatsächlich Fans gibt, die alle Bücher kaufen und mit riesigen Koffern davongehen. Vielen Dank an alle, die mir zugehört haben!

Die einzige Kritik die ich zu den Lesungen habe war, dass es schön gewesen wäre, hätte es extra Karten dafür gegeben, damit man auch Freunde und Fans einlassen kann, die nicht den ganzen Con Preis bezahlen wollten.
Danach habe ich noch das Ende von T.A. Wegbergs Vortrag über Lektoratsarbeit gehört. Nein, es reicht nicht, wenn Mutti sagt, dass man toll schreiben kann, um einen Bestseller zu landen. ; )
Es gab noch einmal die Gelegenheit die Verleger und Lektoren der Verlage zu befragen. Da waren auch Vertreter von Forever by Ullstein, Bruno Gmünder, Himmelsstürmer und Main Verlag.
Eine breite Bandbreite an Meinungen und Arbeitsweisen wurde da diskutiert.

Warum denn nun eigentlich Frauen Gay Romance schreiben wird ja immer wieder gefragt, die Antwort der AutorInnen darauf war sehr individuell und spannend. Über Zufall bis Probleme mit dem Schreiben von weiblichen Figuren war alles dabei.
Dann durfte ich noch die sympathische Regina Mars bei ihrer Lesung sehen, die sie wie alle anderen auch sehr gut gemeistert hat. Mit ihren inzwischen elf Büchern ist sie gerade sehr beliebt bei den Lesern und ihr neues Buch steht auch schon oben auf meiner Leseliste.

Insgesamt war die QueerCon eine tolle Veranstaltung mit vielen spannenden Gästen und ich habe einige sympathische Autoren endlich live kennen gelernt. Es ist doch immer wieder spannend, wie anders manche Menschen sind, wenn man sie live erlebt, als nur über Foren oder Facebook, aber das hat mich nur ermuntert, öfter auf Messen zu gehen.

Die Buch Berlin an sich war auch eine schöne Veranstaltung, diesmal wohl deutlich größer als zuvor. An vielen Ständen gab es Schlangen, am Dead Soft Stand sah ich einen Fan gleich zehn Bücher kaufen und an anderen ergaben sich nette Gespräche mit Autoren.
Das Hotel an sich ist schon sehenswert, mit dem skurrilen Brunnengebilde in der Mitte, leider konnte mir nur niemand sagen, wo man da mal eben ein Brötchen bekommen kann, so dass ich in der nicht besonders schönen Ecke (Sonnenallee) erst mal einen Imbiss gesucht habe.
Ich bin gespannt, wie die Buch Berlin sich weiter entwickelt und komme gerne wieder.

Zuletzt möchte ich euch noch von meinem Berlinbesuch am Freitag erzählen. Da war ich nämlich extra früh mit dem ICE angereist, um noch für meinen nächsten Roman um die Berliner Studenten Jannik und Levi recherchieren zu können. Ich konnte bei meiner Cousine übernachten und stellte bald fest, dass ihr Bezirk um Kreuzkölln tatsächlich auch für meine beiden eine gute Wohngegend wäre. (Mit guter Ausrede, warum sie sich das leisten können). Besonders die Friedelstraße fand ich nett, mit den vielen Cafés, wenn sie für Berliner wohl auch schon bald zu touristisch ist. Ich wollte mir eigentlich das Tempelhofer Feld ansehen, habe das bei dem schlechten Wetter aber gelassen und bin stattdessen etwas planlos mit der Bahn herumgefahren, wobei ich aber gut die Berliner Mode betrachten konnte. Es ist schon erstaunlich, was für ein Unterschied da zu Hamburg besteht. Die Berliner tragen unheimlich selbstbewusst Jogginghose und Pelzmütze in Kombi und die Männer alle lange Wollmäntel, "man bun" und Bart natürlich. Hauptsache man sieht selbstbewusst und cool aus, dann geht eigentlich alles. Nett war auch die Oranienburger Straße, erinnerte mich stark an Altona in Hamburg, mit leckerer günstiger Pizza, Plattenläden, und einer Menge Buchläden.
Am Abend habe ich mir dann noch einige Gay bzw. Queer Bars angeguckt, da ich herausfinden wollte, wohin Jannik Levi schleppt, um ihm die Berliner Szene zu zeigen. Bei den vielen Möglichkeiten habe ich nicht alle geschafft. Da meine Freundin kurzfristig abgesagt hat, musste ich schüchternes Mädchen dann auch noch allein da rein. D Aber es war schon interessant. Ich war zuerst in der Barbie Bar, eine kleine rosa Bar mit lauter Barbies an den Wänden. Leider sehr verraucht, so dass ich weiter ging zum Melitta, schon eher Janniks Geschmack, aber doch eher von 16-18-jährigen besucht, zumindest an diesem Abend. Das Möbel Olfe wurde mir noch empfohlen, habe ich mir dann aber leider nicht mehr angeguckt. Zuletzt war ich noch im Roses, was ich zuerst nicht gefunden habe. Gleich wurde ich angesprochen, ob ich wüsste, wo es wäre, von einer jungen Dame in Pelzmantel. Schließlich haben wir es doch gefunden, das Schild war nur etwas klein. Drinnen bekommt man erst mal einen Schock vor lauter greller Farben. An den Wänden gibt es Plüschstoff und bunte Kronleuchter an den Decken, diverse skurile Deko-Elemente dazu. Offenbar ein beliebter Treffpunkt bei Männern und Frauen im Studentenalter, also ideal für Jannik und Levi. Da werden sie wohl mal reingehen. Mal sehen, ob ich mir demnächst noch mehr angucke, in Berlin war ich zwar schon öfter, aber der letzte Besuch ist recht lange her. Und in dieser Stadt gibt es eine Menge zu sehen. Ich habe immer behauptet, dass mir Berlin nicht so gefällt und ich nie da hinziehen würde, diese Meinung habe ich nun tatsächlich geändert, es ist schon sehr viel los in den Künstlerszenen. Auf jeden Fall freue ich mich jetzt sehr, diese Erfahrungen im Roman verarbeiten zu können. (Wenn ihr einen Tipp habt, wo meine Figuren hingehen sollten, schreibt mir gerne.)
Und ich freue mich auf nächstes Jahr, wo die QueerCon hoffentlich noch mal stattfindet.

Berliner Nachtleben: lange Schlange vor einem Club

Freitag, 11. November 2016

Die Mitte der Welt - Filmrezension



Die Mitte der Welt, ein einmaliges Buch. Ein Buch, das schon Generationen von Lesern begeistert. In den neunzigern erschienen, ist es inzwischen ein Klassiker und immer noch beliebt bei jungen Lesern. Andreas Steinhöfel hat einen wunderbaren Roman geschrieben, der für mich immer weniger ein Jugendbuch als vielmehr ein Buch für alle Leser war, die sich für gute Coming-of-Age Geschichten begeistern.
Am Mittwoch war ich auf der Premiere in Hamburg mit Anwesenheit des Autors, des Regisseurs und des Darstellers Jannik Schümann. Ein tolles Erlebnis mit einem Film der mich positiv überrascht hat.
Er erzählt die Geschichte von einer Familie und einem jungen Mann, der sich selbst und seinen Platz in der Welt sucht. Phil und seine Zwillingsschwester Dianne wachsen in unkonventionellen Verhältnissen auf. Ihre Mutter Glass bekam sie mit siebzehn und wanderte von Amerika in eine deutsche Kleinstadt aus, wo sie mit ihrer Hippieattitüde und wechselnden Männergeschichten aneckt. Dort leben sie in einem großen halb zerfallenen Herrenhaus, genannt Visible. Die Atmosphäre dieses mystischen aus der Zeit gefallenen Hauses, fängt der Film in eindrucksvollen Bildern ein. Auch wenn das Haus eine nicht ganz so große Rolle spielt, wie im Buch, hat mich seine Darstellung überzeugt.
Phil ist schwul und hat sein Coming-out längst hinter sich. Mit seiner besten Freundin Kat durchlebt er einen Sommer, der sie alle verändert. Als er nach einem Feriencamp nach Hause kommt, bemerkt er gleich, dass zwischen seiner Schwester und seiner Mutter eine eisige Distanz herrscht. Niemand redet darüber, was passiert ist und Phil fühlt sich einsam und unverstanden. Seine Mutter hat mal wieder einen neuen Freund, verrät ihm aber immer noch nicht, wer sein richtiger Vater ist.
Da kommt der neue Mitschüler Nicholas in seine Klasse und Phil verknallt sich auf den ersten Blick. Er beobachtet Nicholas beim Laufen, bis der ihn einlädt, doch einfach mit ihm auszugehen. Schnell entwickelt sich etwas zwischen den beiden. Bleibt nur das Problem, das Kat Nicholas nicht leiden kann und dass Nicholas so distanziert bleibt und kaum etwas von sich preis gibt.
Beim anschließenden Gespräch verriet der Autor, dass er Nicholas immer mehr als Projektionsfläche für die anderen Figuren verstanden hat. Etwas, was ich im Buch ein wenig schade fand, da er so recht blass bleibt. Ich habe es immer so interpretiert, dass er seine eigene Unsicherheit hinter seine Coolness versteckt und es ihm schwerfällt, seine Gefühle einzugestehen. Lediglich dass er Dinge sammelt und sich Geschichten für sie ausdenkt, verrät er Phil. Im Film gibt Jannik Schüman ihm ein wenig mehr Charakter und beide Darsteller scheuen sich nicht, sich nackt zu zeigen. Es gibt deutliche Liebesszenen, wo im Buch eher ausgespart wird. Teilweise war mir das schon etwas zu viel, andererseits waren die Szenen sehr geschmackvoll eingefangen.
Der Film legt klar den Fokus auf Phil und seinen Weg zum Erwachsenwerden. Aber auch die Beziehung zu seiner Mutter, zu seiner Schwester und die Suche nach seinem Vater kommen nicht zu kurz. Sabine Timoteo spielt Glass mit einer starken Präsenz. Es hat mir gut gefallen, dass bei ihr immer wieder der amerikanische Akzent und einige englische Ausdrücke durchkamen. Dagegen fand ich die anderen Nebendarsteller leider etwas blass. Vor allem da vor allem Louis Hofmann als Phil absolut überzeugt. Ein neues Talent für den deutschen Film, von ihm wird man hoffentlich noch viel hören. Es würde mich nicht wundern, wenn er einige Preise gewinnt.

Auch das Drehbuch ist sehr intelligent geschrieben. Natürlich kann ein Film nie alle Details des Buches übernehmen, die lesbischen Freundinnen von Glass, die für Phil eine Ersatzfamilie bilden, kommen etwas kurz und der väterliche Freund Gabe ist ganz weggelassen. Aber Jakob M. Erwa hat sehr geschickt die Gedankenwelt von Phil verbildlicht. So wird seine Sicht auf seine Nachbarschaft oder die möglichen Vaterfiguren mit witzigen Fotocollagen dargestellt. Während das Buch offen lässt, zu welcher Zeit es angesiedelt ist, spielt der Film klar in der Gegenwart. Whatsapp-Nachrichten werden beiläufig eingeblendet. So ist ein moderner und gleichzeitig zeitloser Film entstanden, der ein wenig positiver und leichter stimmt als das Buch. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber mir hat das Ende tatsächlich besser gefallen, als das im Buch und die Argumente Erwas, dass Phil dadurch stärker wirkt, konnte ich absolut nachvollziehen.
Auch Kamera und Schnitt muss ich hier loben. Allein die Anfangssequenz, wenn Phil und Dianne als Kinder durch das hohe Gras streifen ist ein Bild, das sich einem einbrennt. Es ist diese Frische und Leichtigkeit, mit der der Film erzählt, und es schafft tiefe Gefühle zu wecken, die mich begeistert hat. Wenn immer wieder symbolhaft der durch den Sturm zerstörte Wald eingeblendet wird. Wenn Glass mit den Kindern im Auto und "Bitsch" aufgesprüht im Kreis fährt, damit alle sie sehen. Wenn das Bild sich rosa färbt, als Phil Nikolas das erste Mal sieht. Aber neben dieser Leichtigkeit gibt es auch einige emotionale Momente. Als Dianne endlich gesteht, was passiert ist, habe ich und einige andere Besucher auch ein paar Tränen wegwischen müssen.
Es ist dem Film anzumerken, wie viel Zeit und Liebe Erwa hineingesteckt hat. Über acht Jahre hat er immer wieder bei Steinhöfel angerufen und ihn wegen der Rechte gefragt, die zuvor schon vergeben waren. Schon als Filmstudent nervte er den Regisseur und ließ nicht locker. Das muss man erst mal bringen und es hat sich ja gelohnt. Ich kann den Film nur jedem empfehlen, der mal wieder einen richtig guten Film übers Erwachsenwerden sehen möchte, der mit einer Selbstverständlichkeit queere Figuren zeigt, wie ich es nur selten gesehen habe. Von einigen habe ich schon gehört, dass sie das Buch sehr lieben und sich durch den Film nicht die Sicht darauf verfälschen lassen wollen. Ich kann nur empfehlen, Film und Buch unabhängig voneinander zu sehen. Dieser Film lohnt sich wirklich, ich wünsche ihm noch viele begeisterte Zuschauer. Mögen noch ganz viele Filme dieser Art folgen.